Ungewollt verraten

Katrin Schulte schaute immer wieder zur Uhr. Die letzte halbe Stunde bis zum Ladenschluss tropfte träge dahin. Gleich nach sechzehn Uhr war der letzte Kunde in ihrem Riesebüro gewesen. Pünktlich achtzehn Uhr drehte sie den Schlüssel von außen an der Ladentür und strebte dem Biergarten zu, der gegenüber schon den ganzen Nachmittag gelockt hatte. Sie blickte sich suchend nach einem freien Platz um und strahlte, als sie den alten Bekannten, einen treuen Kunden sah. Bei ihm war auch noch Platz.

Eine Stunde später verfluchte sie den Besuch im Biergarten. So angenehm die Unterhaltung mit dem Mann war, auf einmal hatte er den Lapsus begangen und ungewollt verraten, in welchem Lokal er unlängst ihren Mann getroffen hatte. Sie sah dem Bekannten an, dass er seinen Fehler sofort erkannt hatte. Seine Mühe, sich zu korrigieren, sie blieb fruchtlos. Für Katrin war dieses Lokal ein Begriff. Sie wusste, dass da nur Männer mit ganz eindeutigen Absichten verkehrten. Man ging da nicht hin, um zu essen oder zu trinken. Ein ausgesprochener Kontakthof war das ganze Lokal, in der sich die Herren in aller Ruhe die Dame ihrer Wahl aussuchen konnten.

Zu Hause wechselten bei ihr Wut mit Abscheu. Nie hatte sie daran gedacht, dass ihr Mann einen Puff aufsuchen würde. Im Gegenteil! Sie schaute auf die Uhr. In zwanzig Minuten musste er kommen. Sie fühlte sich nicht in der Lage, ihn mit ihrem Wissen wie alle Tage zu begrüßen. Sie mochte es aber auch nicht darauf anlegen, ihm eine Szene zu machen. Entschlossen verließ sie das Haus, um einen Besuch bei ihrer besten Freundin zu machen. Die war zum Glück daheim und erst einmal Beichtschwester. Als Katrin ihr Herz ausgeschüttet hatte, sagte sie ganz ruhig und sachlich: „Wer weiß, wie es dazu gekommen ist. Ich glaube nicht, das Axel ein ständiger Puffgänger ist. Eine Laune vielleicht. Aus einer bestimmten Situation heraus etwa. Und übrigens, du hast kein Recht über deinen Mann den Stab zu brechen. Denk ein dein Verhältnis mit deinem ehemaligen Chef. Das ging immerhin über zwei Monate. Dein Mann hat es erfahren und dir verziehen.“

Katrin jammerte: „Vierzehn Jahre sind wir verheiratet und nun so etwas. Bei ich ihm mit meinen vierzig Jahren nicht mehr attraktiv genug. Er geht ja schließlich schon auf fünfzig zu.“

„Du bist attraktiv und er liebt dich. Mit deinem Alter gehst du für dreißig durch, wenn du dich richtig zurechtgemacht hast. Deine Brüste, deine Hüften und deinen Popo möchte ich haben.“ Katrin versäumte nicht, mit zarten Fingerspitzen dahin zu huschen, wovon sie gerade sprach. Am Ende hatte sie eine Hand auf der warmen samtenen Haut unter dem Pulli und die andere zwischen den Schenkeln. Die gingen schon bald nach der ersten Berührung langsam auseinander. Katrin war verblüfft, dass sie trotz des Kummers der Freundin dort sprechende Feuchte tastete. Sie überlegte nicht lange. Der erste Orgasmus ließ nicht lange auf sich warten. Dann balgten sie sich beide splitternackt auf der Couch und gaben sich erst zufrieden, als sie beide völlig geschafft waren.

Ein paar Tage später war Katrins Plan ausgereift. Sie wusste genau, dass ihr Mann an Donnerstagen immer erst gegen elf nach Hause kam. Die wöchentlichen Skatabende hatte sie ihm bislang immer gern gegönnt. Die für ihren Plan notwendigen Einkäufe hatte sie inzwischen getätigt. Nun ging es an die Umsetzung ihrer verrückten Idee. Im Schlafzimmer ließ die Jalousien ganz dicht herunter, so dass kein Strahl der Sonne oder der Straßenlaterne hineinfallen konnte. Die feinen Gardinen mit Plauener Spitze nahm sie ab und hängte statt dessen roten Tüll locker über die Gardinenstangen. Bis auf den Boden reichte diese Dekoration. In die Deckenleuchte und Nachttischlampen schraubte sie rote Glühlampen ein, die sie in einem Fotoladen erstanden hatte. Über die Betten spannte sie schwarze Satinlaken. Die Bettdecken räumte sie in einen der Schränke. Auf das Bord des Ehebetts stellte sie zwei riesige Kerzen in Phallusform. Alles was sie tat, entsprach ihrer Phantasie, wie es in einem Puff zugeht. Aber nicht genug damit. Mit ihrer elektronischen Kamera hatte sie vor Tagen von sich ein paar ganz obszöne Nacktfotos geschossen und mit dem Farbdrucker ausgedruckt. In einem einfachen Holzrahmen hingen die Bilder nun gegenüber vom Bett an der Wand. Zufrieden schaute sich Katrin um. Rechtzeitig fiel ihr ein, auf den Nachtschrank ihrer Seite noch ein Glas mit dem Kondomsortiment aufzustellen, das sie bislang bevorzugt hatten.

Endlich war es so weit. Als sie die Dusche hörte, wurde ihr ganz mulmig. Jeden Augenblick musste er die Schlafzimmertür öffnen und auf leisen Sohlen durch die Tür kommen, um sie nicht im Schlaf zu stören. Splitternackt würde er natürlich kommen, wie es bei ihnen üblich war. Er kam auch, aber nicht auf leisen Sohlen. Im Türrahmen blieb er erstarrt stehen und versuchte alles aufzunehmen, was sich ihm an Veränderungen bot. Sein erster Blick war natürlich auf das Bett gegangen, wo Katrin mit geschlossenen Augen ausgestreckt lag. Mit einem Satz war er bei ihr. Den Schlaf nahm er ihr nicht ab. Stürmisch küsste er sie und redete an der schlängelnden Zungenspitze vorbei: „Eine fabelhafte…Idee. Wie bist du nur…darauf gekommen?…Ist wohl Zeit, dass unser Schlafzimmer mal ein anderes Ambiente bekommt? Die Augen essen schließlich mit.“

Gleich machte er sich über das Angebot her, das ihm die niedliche Büstenhebe bot. Lange genug kannten sie sich. Er wusste genau, dass er sie so in den ersten Höhepunkt schicken konnte. Diesmal schien es anders zu sein. Katrin schimpfte: „Ich hab mir solche Mühe gegeben, und du guckst dich nicht mal richtig um. Was sagst zu den Bildern an der Wand.“

Axel schaute sich nun betont langsam um. Er fand lobende Worte für die Bilder. Die beiden Peniskerzen betrachtete er sich etwas eingehender und spöttelte: „Hast du dich da mit Länge und Durchmesser nicht ein wenig übernommen? Oder bist du mit mir nicht mehr zufrieden?“

Sie schlang ihre Hände um seinen Hals und hauchte: „Wenn ich nur nicht so sehr zufrieden mit dir wäre. Wenn es nur einen Makel in unserem Ehebett geben würde.“

Diese Worte ernüchterten ihn ziemlich. Er wollte wissen, wie sie das meinte, warum sie solche Worte sagte. Zur Antwort bekam er nur: „Weil ich dich unendlich liebe. Aber ich habe auch immer große Angst, dass etwas unser Glück trüben könnte.“

Geguckt und geschnuppert hatte Axel genug, gelobt auch. Nun ließ er sich nicht mehr zurückhalten. Er stieg über seine Frau und machte ihr einen flotten Quickie. Nicht ganz. Rechtzeitig besann er sich noch darauf, dass sie an diesem besonderen Abend wohl mehr von ihm erwartete. Er gönnte sich eine Pause und ging mit der Nase über die Brust hinweg, bis auf dem Schamberg, dem verführerischen Duft nach. Katrin bäumte sich unter seiner zärtlichen Zungenspitze auf. Bei seinen Küssen in die Leistenbeuge rastete sie aus. Ihr Körper flog wie unter Elektroschocks, und seinen Kopf drückte sie ganz fest an ihren Schoß. Sie kam, keuchte und kam gleich noch einmal. Richtig stolz war er auf sich, wie schnell es ihm an diesem Abend gelungen war. Er ahnte nicht, wie lange sie sich zuvor schon selbst gestreichelt hatte.

Ganz plötzlich machte sie sich aus seiner Umarmung frei. Sie balgte so lange mit ihm, bis er unter ihr auf dem Rücken lag. Sie wollte dominieren, wollte den Rhythmus und das Tempo ganz allein bestimmen. Nicht ihr sollte er es machen, sondern sie wollte es ihm besorgen. Das tat sie auch in ihrer bekannten Weise, wenn sie zuvor schon zweimal gekommen war. Hastig ging sie die Runde an. Sie war schneller vorbei, als ihr lieb war. Das entsprach aber der Rolle, die sie an diesem Abend spielen wollte.

Langsam wurden Axels Atemzüge wieder normal. Der Herzschlag nicht, denn er hörte ganz unvermittelt: „Hast du jetzt wie bei einer Hure gefühlt? Was denkst du, könnte dir eine Hure geben, was ich nicht habe?“

Mit seinem schlechten Gewissen spielte er einen unschönen Part. Zuerst wollte er überhaupt nicht verstehen. Als sie ihm auf dem Kopf zusagte, in welchem Lokal er gesehen worden war, verlegte er sich aufs Leugnen. „Ich verzeih dir ja auch“, wisperte sie, „ich habe es allerdings sehr genossen, dass ich heute das Gefühl hatte, du nimmst mich wie eine Hure.“

Ein paar Minuten schwieg er. „Da hast du aber ganz falsche Vorstellungen“, sagte er. „Bei einer Hure ist nichts mit Küssen, sie mögen es nicht, wenn die Männer lange mit ihren Brüsten spielen. Und ohne Kondom ist gar nichts.“

„Hat es dir wenigstens in meinem dekorierten Schlafzimmer ein wenig gefallen?“

„Auf verrückte Ideen darfst du öfter kommen. Und für mich allein sollst du liebend gern auch eine Hure sein.“

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